Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe meines Kinky-Podcast und vielen Dank für
dein Interesse.
BDSM und Gewalt sind zwei verschiedene Dinge. Damit BDSM keine Gewalt ist, müssen
alle Handlungen einvernehmlich stattfinden.
Was bedeutet Einvernehmlichkeit und was muss ich tun, damit ich wirkliche
Einvernehmlichkeit herstelle. Damit beschäftigte ich mich in dieser Ausgabe meines
Kinky-Podcast.
Die große Herausforderung im BDSM ist der Spagat zwischen dem Wunsch, ausgeliefert
und wehrlos zu sein, Zwang zu erleben und nicht zu wissen, was der dominante Part mit
einem anstellt. Auf der anderen Seite steht das Bedürfnis nach Sicherheit und Vertrauen.
Das Spiel soll in einem Rahmen bleiben und gesetzte Grenzen nicht überschreiten. Tabus
dürfen nicht gebrochen werden.
Die Handlungen in einer BDSM-Session müssen einvernehmlich erfolgen. Um die
Einvernehmlichkeit zu erreichen, bedarf es Informationen und Absprachen. Für manche
bedeutet dieses „Vorspiel“ mehr Sicherheit. Für andere nimmt es Spannung und den Kick
heraus.
Das Besondere im BDSM ist, dass es eine gespielte Gewalt gibt. Im eigentlichen Sinne
handelt es sich nicht um Gewalt, denn die beteiligten Personen haben den Handlungen
zugestimmt, wollen diese und erleben sogar Freude dabei.
Diese Besonderheit ist eine Herausforderung. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann
aus dem einvernehmlichen Spiel eine Situation entstehen, die sich Gewalt nähert oder ist.
Zum einen gibt es die physische, also körperliche, Gewalt. Dazu zählt alles, was auf den
Körper und seine Funktion einwirkt. Des Weiteren gibt es die psychische Gewalt. In der
Regel kommt es bei Gewalt immer zu beidem. Denn wenn es eine körperliche
Grenzverletzung gibt, löst dies auch etwas im Kopf aus. Gibt es eine psychische
Gewalteinwirkung, löst dies oft psychosomatische Beschwerden aus. Daher möchte ich
diese beiden Kategorien nicht weiter getrennt voneinander benennen, sondern meine bei
Beispielen immer beide Aspekte der Gewalt.
Zur sexualisierten Gewalt, zu der es im Zusammenhang mit BDSM kommen kann,
gehören die sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Machtmissbrauch, Körperverletzungen
etc.
Unter sexueller Nötigung versteht man im juristischen Sinne sexuelle Handlungen, die
gegen den Willen vorgenommen werden. Bei der Vergewaltigung kommt es zum
Eindringen in den Körper.
Machtmissbrauch ist ein Verhalten, bei dem Einfluss und Macht gegenüber einer anderen
Person ausgenutzt wird. Druck, Täuschung, Zwang und Drohung sind Zeichen von
Machtmissbrauch und Gewalt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn in der BDSM-
Session der Master eine Grenze überschreitet, weil sein devotes Gegenüber wehrlos
ausgeliefert ist. Genauso ist es ein Machtmissbrauch, wenn ich jemanden so beeinflusse,
dass er aus Druck heraus einer Handlung zustimmt, obwohl er diese gar nicht möchte.
Zu einer Körperverletzung kann es im BDSM leicht kommen. Unterscheiden muss man
zwischen einer nichtabsichtlichen Körperverletzung, zum Beispiel weil ein Seil schlecht
gebunden wurde und der Daumen anschließend ein bisschen taub ist. Auf der anderen
Seite ist es eine absichtliche Körperverletzung, wenn die dominante Person der devoten
Person mit dem Rohrstock kräftig auf den Hintern schlägt und dabei die Haut aufplatzt.
Eine Körperverletzung kann von beiden Beteiligten gewollt sein. Juristisch bleibt es eine
Körperverletzung, aber es hat eine Einwilligung dazu gegeben. Dies ist beispielsweise
auch der Fall, wenn man bei seiner Hausärztin Blut abgenommen bekommt.
An dem Beispiel mit dem Rohrstock kann ich gut den Unterschied zwischen Gewalt und
Einvernehmlichkeit erklären. Schlage ich mit dem Rohrstock kräftig auf den Hintern einer
Person, ist es immer eine Körperverletzung. Hat die Person, die ich geschlagen habe,
dem zugestimmt und wollte das, ist es keine strafbare Körperverletzung. Schlage ich die
Person, die das will und dem zugestimmt hat, ist es keine Gewalt. Ich handle nicht gegen
den Willen der anderen Person. Ist das Schlagen für die devote Person ein Tabu und ich
schlage sie trotzdem, dann ist es Gewalt, weil sie das nicht möchte.
Und es geht noch differenzierter. Schlage ich die Person mit dem Rohrstock, sie hat
vorher dem zugestimmt, möchte aber keine Hautverletzung, die blutet, dann ist es ein
Unfall, wenn ich aus Versehen zu kräftig geschlagen habe und es doch zu einer blutenden
Hautverletzung kommt.
Um Gewalt auszuschließen, ist der goldene Begriff Einvernehmlichkeit. Im
Zusammenhang von Sexualität spricht man oft von Konsens. Dabei bezeichnet Konsens
die Zustimmung, oder das Einvernehmen aller, die an einer sexuellen Handlung beteiligt
sind. Dazu gehört es, dass alle beteiligten Menschen sich verbal oder nonverbal
abstimmen. Eigene Bedürfnisse und Grenzen werden kommuniziert sowie geachtet und
respektiert.
Beim BDSM kommt eine Herausforderung hinzu. Zu einer Handlung zustimmen kann
man nur, wenn man weiß, worauf man sich einlässt.
Dazu wieder ein Beispiel. In der Schule hat man gelernt, dass wenn ein Mann und eine
Frau ungeschützten Geschlechtsverkehr haben, die Frau schwanger werden kann. Dem
entsprechend geht man davon aus, dass erwachsene Menschen wissen, wenn sie
ungeschützten Sex miteinander haben, ein Kind gezeugt werden kann.
In der Schule hat man über BDSM nichts gelernt. Der Lehrer hat nicht erzählt, dass wenn
man einer Person mit einem Rohrstock kräftig auf den Hintern schlägt, es nicht nur weh
tut, sondern auch die Haut aufplatzen kann.
Deshalb ist es wichtig, dass bewusst einer sexuellen Handlung im BDSM nur zugestimmt
werden kann, wenn man Informationen hat, was es bedeutet.
Alle Beteiligten sind verpflichtet, sich zu informieren. Eine erfahrene Person kann ihr
wissen weitergeben. In Büchern und im Internet kann man sich Wissen anlesen. Oft
helfen das Nachdenken und der gesunde Menschenverstand weiter.
Gerade Neulinge im BDSM können das Wissen nicht haben. Umso wichtiger ist es, dass
sie sich informieren und sich Wissen aneignen. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, in
welcher Position BDSM ausgelebt wird.
Bei der Frage, was möchte ich erleben, wozu bin ich bereit, was könnte mir gefallen, ist
ein klarer Kopf von Nöten. Ebenso sollte man sich die Frage beantworten, was man nicht
erleben möchte, wo eigene Grenzen und Tabus sind. Was ist einem wichtig bei seinem
Gegenüber, bei einem Treffen und in einer Session.
Ich erlebe häufig, dass meine Spielpartner ein Unwissen mitbringen, was überhaupt alles
im BDSM möglich ist. BDSM ist eine Form der Sexualität, die ganz viele Ausprägungen
hat. Es gibt auch nicht das eine BDSM-Lexikon, wo alles erklärt ist. Kein Master ist wie
der andere. Jeder devote Spielpartner von mir hat andere Schwerpunkte und eigene
Dinge, die ihn ansprechen.
Alle BDSMler haben eine eigene Vorstellung davon, wie sie BDSM ausleben. Diese
Vorstellung ist individuell und unterscheidet sich von anderen. Deshalb ist es wichtig sich
auszutauschen, um herauszufinden, was das Gegenüber mag und nicht mag.
Ich habe einen umfangreichen Fragebogen erstellt, den ich meinen Spielpartnern anbiete
auszufüllen. Oft bekomme ich als Rückmeldung, dass das Ausfüllen geholfen hat sich
selbst zu hinterfragen und Dinge über sich selbst herauszufinden.
An einige sexuelle Praktiken wurde nicht gedacht. Sich intensiv damit
auseinanderzusetzen, ob man dieses oder jenes ausprobieren möchte, bringt viele weiter.
Gerade Neulinge wissen oft nicht, welche Spielarten BDSM anbietet. Schnell wird durch
den Fragebogen deutlich, dass man mehr Tabus hat, als man vorher im Chat geschrieben
hat. Gleichzeitig kommt man auf den Gedanken, neue Dinge ausprobieren zu wollen.
Für mich als erfahrenen Master ist es wichtig, meinen Spielpartnern zu vermitteln, welche
Folgen es hat, eine Praktik auszuleben.
Welche Auswirkungen hat es, sich mit einem Rohrstock auf den Hintern schlagen zu
lassen? Wie schnell kann es dabei zu Verletzungen kommen? Sind diese Verletzungen
schlimm? Wie lange werden die Spuren auf dem Hintern ungefähr zu sehen sein?
Ein anderes Beispiel. Anale Spiele mit Toys. Wie lange bracht man, bis große Dildos und
Plugs in einen hineinpassen? Wie häufig muss man dafür trainieren? Weshalb ist es nicht
gut, betäubende Salben anzuwenden?
Was bedeutet es, einen längeren Zeitraum gefesselt irgendwo zu liegen? Wann wird es
unbequem? Wie wirkt die Zeit und die damit verbundene Langeweile?
Das alles können Themen sein, über die man ins Gespräch kommen muss.
Die Zustimmung zu einer BDSM-Handlung kann jederzeit widerrufen werden. Auch in
einer Session. Zur Einvernehmlichkeit gehört dazu, dass es vereinbarte
Ausstiegsmöglichkeiten gibt.
Ist es nach zwei Stunden zu unbequem auf der Liege im gefesselten Zustand? Hat man
es sich geiler vorgestellt, zwei Stunden allein gefesselt rumzuliegen?
Hat man sich die Schmerzen geiler vorgestellt zu erleben?
Für solche Momente muss die Möglichkeit bestehen, das Einverständnis
zurückzunehmen und aus der BDSM-Session auszusteigen.
Dem Gegenüber kann in einer Session auch Widerstand gegen den Master stehen.
Spielerischer Druck und Zwang, wie vorher besprochen, können zu einer Session dazu
gehören. Daher benötigt man ein vorher vereinbartes Zeichen, wodurch die Session
unterbrochen oder abgebrochen wird.
Ein Einfaches „Nein, bitte nicht“ ist die falsche Wahl für ein Stoppzeichen. Es sollte ein
Wort sein, dass nicht zu einer Session passt und somit heraussticht. Ich nutze das Wort
„Titanic“ mit meinen Spielpartnern. Wird das Wort von meinem Gegenüber
ausgesprochen, unterbreche ich die Session, wir befinden uns auf Augenhöhe und ich
bespreche mit meinem Spielpartner, was los ist und wie es weitergehen soll. Kann mein
Spielpartner nicht sprechen, kann er eine Melodie summen. Dann weiß ich auch, dass
etwas nicht in Ordnung ist und die Session wird ebenfalls unterbrochen.
Oftmals reicht es aus, die Session nur kurz zu unterbrechen und etwas zu beheben. Eine
Fesselung ist zu eng, ein Muskelkrampf im Oberschenkel oder etwas anderes. Schnell ist
es behoben und wir können weitermachen.
Entscheidet sich mein Gegenüber die Session beenden zu wollen, respektiere ich das und
wir beenden die Session.
Ich kenne devote BDSMler, die möchten mit mir im Voraus die komplette Session
besprechen. Sie wollen ein Drehbuch haben, dass das genau so stattfindet. Einerseits
vermute ich, dass es sie beim Lesen bzw. darüber Schreiben bereits geil macht.
Anderseits verstehe ich, gerade bei Neulingen, das Bedürfnis nach Sicherheit. Sie
möchten wissen, was sie erwartet.
Ich selbst mache für meine Sessions keine Drehbücher. Nicht, weil ich das nicht mit
meinem Gegenüber kommunizieren möchte, sondern weil ich spontan entscheide,
worauf ich Lust habe und was ich mit meinem Spielpartner machen möchte. Im Vorfeld
mache ich mir wenige Gedanken zum Ablauf einer Session. Ausnahmen gibt es nur, wenn
etwas Außergewöhnliches ansteht.
Durch den Fragebogen und den Dialog mit meinem Spielpartner weiß ich, in welchem
Rahmen ich mich bewegen kann. Vorlieben kann ich berücksichtigen. Grenzen und Tabus
achte ich.
Diese Ungewissheit, was in einer Session passiert, und auf den devoten Spielpartner
zukommt, ist auch ein Reiz für viele. Wenn ich mich im Vorfeld intensiv mit meinem
Gegenüber abgesprochen habe, kann ich dies tun.
Finden keine Absprachen statt und gibt es keine ausreichenden Informationen, kann die
Einvernehmlichkeit schnell verloren gehen und die Session kann in den Bereich von
Gewalt abrutschen.
Der Spagat zwischen Einvernehmlichkeit und Spannung ist eine Herausforderung für die
Beteiligten.
Als Master in einer BDSM-Session habe ich eine höhere Verantwortung. In der Session
übernehme ich die Fürsorge für meinen Spielpartner. Als bestimmende Person gehen von
mir die Handlungen aus. Ich bin derjenige, der fesselt. Ich bin derjenige der Schlägt. Ich
bin derjenige, der Zwang ausübt.
Umso wichtiger ist es für mich, mein devotes Gegenüber so weit zu kennen, dass ich
weiß, was ich von ihm verlangen und was ich ihm zumuten kann. Vieles muss im Dialog
vorher besprochen werden. In einer Session muss ich beobachten, wahrnehmen und
entsprechend reagieren.
Betonen möchte ich, dass die Verantwortung für eine einvernehmliche und gewaltfreie
Session nicht allein beim dominanten Part liegt. Ohne die notwendige Offenheit und
Ehrlichkeit bekomme ich nicht die Informationen, die ich brauche. Ohne die Fähigkeit zu
kommunizieren, ist die Gefahr groß, dass eine Session auch negative Elemente
beinhaltet.
Bei neuen Spielpartnern ist es für mich selbstverständlich langsam und sanft zu
beginnen und mich dann zu steigern. Dabei nehme ich wahr, wie mein Gegenüber darauf
reagiert.
Alle Beteiligten müssen sich bewusst sein, dass in einer Session Dinge auch ausprobiert
werden. Die meisten BDSMler machen dabei positive Erfahrungen. Es gibt immer wieder
auch Erfahrungen, die nicht so gut sind. Das hat nichts mit Gewalt zu tun. Zusammen hat
man sich darauf geeinigt, etwas zu versuchen. Das Ergebnis kann gut oder schlecht sein.
In meinen Ausführungen wird deutlich, dass ich vor einem Treffen und einer Session mit
meinen Spielpartnern Kontakt habe. Meistens Chatten wir vorher intensiv miteinander.
Oft bekomme ich den Fragebogen ausgefüllt.
Manche Menschen trifft man auf einem Kinky-Event. Diese Veranstaltungen werden auch
genutzt, um seine Sexualität auszuleben. Also kein Chat vorher und kein ausgefüllter
Fragebogen. In diesen Situationen kommt es aufs Gespräch an, um Konsens
herzustellen. Je nach Umgebung eine Herausforderung.
Ich bin niemand der auf Play-Partys, ohne vorher miteinander zu sprechen, eine Session
oder Spielsituation startet.
Ich würde niemanden, nur weil er ein Halsband trägt oder sonst wie als Sub bzw. Slave zu
erkennen ist, respektlos behandeln.
Die erste Begegnung mit einem anderen Menschen, auch wenn er devot ist, findet für
mich immer auf Augenhöhe statt. Die Person darf mich Siezen und im BDSM-Jargon mit
mir sprechen. Es gibt aber noch keine hierarchische Ebene.
Für mich bedeutet das auch, dass ich eine andere Person noch nicht anfasse. Kein Griff
ans Halsband, keine Hand auf den Arsch oder sonst etwas.
Erst wenn es die Zustimmung, den Konsens gibt, kann es losgehen.
Ich weiß, dass es BDSMler gibt, ob Master oder Slave, die das anders beurteilen. Hier
können Grenzen überschritten werden und es kann zu unschönen Erlebnissen kommen.
In den vergangenen Jahren sind – zurecht - die Themen der sexuellen Selbstbestimmung
und sexuellen Gewalt ins breite Bewusstsein gerückt.
Ich denke, dass die BDSM-Szene bereits früher dieses Bewusstsein gehabt hat. Das liegt
natürlich an den Umständen der sexuellen Spielart.
Die „MeToo“-Bewegung hat vieles ins Rollen gebracht. Sich über Einvernehmlichkeit und
Konsens Gedanken zu machen, ist wichtig und richtig. Nicht nur im BDSM-Bereich.
Mit diesen Gedanken kamen gleichzeitig Fragen und Unsicherheit auf.
Wie sieht eine bewusste Zustimmung für sexuelle Handlungen aus?
Die Meinung, wenn ich kein Nein erhalte, wird es ein Ja sein, ist nicht ausreichend. Eine
Person muss sich nicht wehren, sondern zu Beginn muss es eine aktive Zustimmung
geben. Ein klares Ja muss erfolgen. Dieses Ja bezieht sich nicht stur auf das Wort mit
den zwei Buchstaben. Das wäre zu wenig.
Viel mehr muss der gesamte Mensch den Eindruck vermitteln, dass er eine BDSM-
Session mit der Person möchte.
Bei mir wird dies deutlich, wie und was er mit mir schreibt im Chat. Durch das Zusenden
des Fragebogens äußert er sein Interesse. Wenn wir uns verabreden, kommt er bewusst
zu dem Treffen und weiß, worauf er sich einlässt.
Bei persönlichen Begegnungen lege ich wert darauf, dass die Person ihren Wunsch nach
der Session klar formuliert. Durch das Besprechen von Vorlieben, Vorstellungen sowie
Grenzen und Tabus werden die Inhalte klar und es wird für beide Seiten deutlich, ob es
passt. Bevor wir starten, frage ich bewusst nach, ob es losgehen kann.
Wichtig ist, dass ich jederzeit meinem Gegenüber auch die Option gebe, abzubrechen,
ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Das spreche ich der Person gegenüber
aus.
In meinen fast 20 Jahren gab es nicht viele Situationen, wo Treffen bzw. Sessions
abgebrochen wurden.
Ich erinnere mich an ein Treffen mit einem jungen Herrn. Wir hatten über Romeo
ausführlich gechattet und uns intensiv über Vorstellungen, Wünsche und Tabus
ausgetauscht. Wir verabredeten uns zu seiner ersten BDSM-Session. Ich holte ihn am
Bahnhof ab und ich merkte direkt, dass er sehr nervös war. Wir fuhren zu mir nach Hause
und setzten uns ins Wohnzimmer auf das Sofa und sprachen miteinander. Bereits beim
allgemeinen Smalltalk brach er in Tränen aus. Nachdem ich ihm ein Taschentuch
gegeben hatte und ihm einen Moment Zeit gab, sagte er, dass es nicht nur seine erste
BDSM-Session heute wäre, sondern sogar das erste Treffen mit einem Mann. Schließlich
haben wir eine halbe Stunde miteinander geredet und ich habe ihn dann wieder zurück
zum Bahnhof gebracht. Die Situation war zu überfordernd für ihn gewesen. Danach
hatten wir noch einige Zeit Kontakt und er hat erst einmal begonnen, sich in der Freizeit
mit anderen Schwulen zu treffen.
Eine weitere Situation fand vor einigen Jahren beim Folsom Europe in Berlin statt. Dort
traf ich mich mit einem Sub, mit dem ich vorher bereits geschrieben hatte. Auch hatte ich
den Fragebogen von ihm zugeschickt bekommen und wusste so, was er wollte und was
nicht. Am ersten Tag in Berlin haben wir uns persönlich kennengelernt und verstanden
uns auf Anhieb sehr gut. Wir verbrachten die folgenden Tage miteinander und hatten
auch Kinky-Sex zusammen. Erst 2 Jahre später sprach er mich nochmals auf unser
erstes langes Wochenende an. Er gestand mir, dass es ihm an einem Punkt zu weit
gegangen sei. Ich war davon überrascht und fragte ihn, weshalb er nichts gesagt habe in
der Situation. Dies habe er in dem Moment nicht gekonnt. Ich habe mich dafür
entschuldigt bei ihm und mich selbst hinterfragt. In seinem Fragebogen hat er
angegeben, dass er das Mitmachen würde. In meiner Erinnerung konnte ich nicht
erkennen, dass er es nicht wollte oder es ihm in dem Moment nicht gut ging.
Er sagte mir, dass mich keine Schuld treffen würde. Er müsse für sich lernen, Nein zu
sagen, auch wenn es unangenehm in der Situation ist. Einerseits hat er sicher damit
Recht. Andererseits habe ich für mich mitgenommen, noch aufmerksamer zu sein und im
Nachgang zu einer Session noch intensiver mit meinen Spielpartnern zu sprechen.
Für solche oder andere ungute Situationen, die immer vorkommen können in einer
Session und bei einem Treffen, muss Zeit sein sich damit zu beschäftigen. Für mich
gehört es zu meiner Verantwortung und Fürsorge dazu, dass ich nach einer Session, ob
direkt im Anschluss oder einige Zeit später, für meine Spielpartner ansprechbar bin. Aktiv
suche ich das Gespräch über unsere Erlebnisse mit ihnen. Wir besprechen, was gut und
geil war und was nicht so großartig war. Diese Informationen fließen dann in die
nächsten Sessions mit ein.
Zum Schluss stellt sich die Frage, was jemand tun kann, wenn es doch zu einer
Grenzüberschreitung oder Gewalt gekommen ist.
In der Situation sollte es das Ziel sein, die Session zu unterbrechen bzw. abzubrechen.
Habe den Mut, deine Bedürfnisse und dein Unwohlsein bemerkbar zu machen. In einem
fairen und respektvollen miteinander sollte dies kein Problem sein.
In manchen Situationen kann es hilfreich sein, mit einer Ausrede die aktuelle Lage
aufzulösen. Dies kann beispielsweise mit der Aussage gelingen, dass du auf die Toilette
musst und du Druck im Darm hast. Bist du erst einmal aus einer wehrlosen Position
befreit, kannst du weitere Schritte unternehmen.
Wenn du dich auf die Toilette zurückziehen kannst, hast du die Möglichkeit dich zu
beruhigen und zu überlegen, wie es weiter geht. Vielleicht hattest du die Möglichkeit dein
Smartphone mitzunehmen und mit anderen Kontakt aufzunehmen. Im Notfall solltest du
die 110 wählen und die Polizei rufen.
Hast du die Situation und das Treffen verlassen, suche dir Hilfe und Unterstützung.
Freund*innen können dir zuhören und professionelle Einrichtungen beraten dich. Sollte es
notwendig sein, suche medizinische Hilfe auf.
Der Weisse Ring bietet anonym telefonische Beratung an und kann weitere Tipps geben.
Ich hoffe, dass ihr ganz viele positive Erfahrungen macht und mit Menschen
zusammenkommt, mit denen ihr offen und ehrlich sprechen und auch eure Kritik äußern
könnt. Gemeinsam sich im BDSM weiterzuentwickeln, macht eine Menge Spaß. Nicht so
gute Erfahrungen, wenn man Dinge ausprobiert, gehören dazu. Spricht man darüber und
klärt die Sache auf, kann es weiter gehen. Habt viel Spaß beim Ausleben eurer sexuellen
Vorlieben.
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Auf meiner Webseite www.SM-81.blog findet ihr weitere Folgen und Informationen zu
meinem Podcast und mir.
Bis bald und habt eine gute und geile Zeit!
Link zum Thema:
Weisser Ring - Hilfe für Menschen nach sexueller Gewalt
Einvernehmlichkeit im BDSM
#4 Erstveröffentlichung: 19.11.2024
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